30 Sep
30Sep

Schreiben bedeutet für mich sehr viel. Ich habe immer geschrieben. Alles hat mit dem Tagebuch schreiben angefangen, zu dem mich meine Eltern inspiriert haben. 

Mein Vater kam mit 30 Jahren nach Deutschland, nachdem er meine Mutter, Tülay, geheiratet hatte. Ihr Vater, mein Opa Mustafa, der dieses Jahr im Juli gestorben ist, war einer der Gastarbeiter gewesen, die aus der Türkei angereist waren. Mein Vater, Sami, hätte niemals gedacht, dass er eines Tages nicht mehr in der Türkei leben würde und verlor niemals den Bezug zu seiner Heimat und seinen Geschwistern, seiner Familie dort. Erst nachdem er seine Heimat verlassen hatte, hatte er mit dem Tagebuch schreiben begonnen. Denn in seiner ersten Zeit in Deutschland, plagte ihn eine tiefliegende Trauer, die er irgendwie verarbeiten musste, denke ich.
Meine Mutter wurde in Istanbul geboren, verbrachte aber die meiste Zeit in Deutschland. Nur die erste Klasse absolvierte sie mit ihrer kleinen Schwester, meiner Tante Nuray, in Istanbul. Sie erinnert sich gern an ihr Leben in Alibeyköy. Besonders gern erzählt sie von dem Haus, in dem sie wohnten und wie schön grün die Umgebung in ihrer Kindheit war. Heute, 2023 ist dieser Stadtteil Istanbuls, wie viele andere, voll von Gebäuden. So weit das Auge reicht, mit nicht einmal einem einzigen Baum in der Nähe.

Ich hatte gesehen, dass meine Eltern auch immer schrieben. Besonders mein Vater schrieb fast jeden Tag in sein Tagebuch, als ich noch klein war. Mir gefiel seine schöne, kursive Handschrift schon damals sehr. Meine Mutter schrieb ebenfalls und klebte Bilder zu ihren Texten, die sie aus Zeitungen herausgeschnitten oder selbst gemalt hatte. Das begeisterte mich zusätzlich. Ich wollte wie die beiden sein und die wichtigsten Erlebnisse, Gefühle, Eindrücke und Geschichten, die sich an einem Tag ereignet hatten, festhalten. Ich verstand, dass sie das taten, weil dies etwas Wichtiges sein musste. Mir wurde klar, dass Zeit wertvoll war und zu schnell vorbei ging.

Tagebuch zu schreiben war eine Möglichkeit meinen Tag zu dokumentieren. Das Schreiben gab mir die Möglichkeit, die Zeit festzuhalten. Meine Taten in notierter Form für alle Zeiten zu verewigen. Irgendwann würde ich diese Tagebucheinträge lesen und fast schon eine Reise in die Vergangenheit machen, dachte ich mir. Das Schreiben kam mir wie eine Waffe vor. Wenn ich heute, was ich hin und wieder mal mache, einen Blick in meine Tagebücher werfe, denke ich mir, wie gut es war, dass ich mir all das aufgeschrieben habe. "Mensch, Yasemin, daran erinnerst du dich ja gar nicht mehr!", ging mir mehrmals durch den Sinn.

Irgendwann merkte ich, dass ich es nicht mehr schaffe jeden Tag Tagebuch zu schreiben. Ich kam auf die Idee nur die wichtigsten Ereignisse festzuhalten. Und eines Tages bemerkte ich , dass Geheimnisse den Untergang einer Person bedeuten könnten. So fragte ich mich, was wohl mit diesen Büchern passieren würde, wenn ich auf unerwartete Weise sterben sollte? Ich war noch sehr jung. Auch als ich diese Webseite erstellte, war ich nicht 27 Jahre alt, sondern 24. Ist vielleicht kein großer Unterschied, doch als ich diesen oben genannten Gedanken hatte, war ich sogar noch jünger als 18!
Alle würden meine intimsten Gedanken, Erlebnisse etc. herausfinden, wenn ich meine Tagebücher nicht gut schützte! Also wollte ich sie alle verbrennen! Habe ich es getan? Nein, natürlich nicht. Ich erkannte nämlich, dass ich zu meinen Taten stehen musste, dass ich mich unheimlich ärgern würde, wenn ich meine Tagebücher tatsächlich verbrannt hätte. Trotzdem kamen mir Gedanken über den Tod irgendwie interessant vor. Ich hatte Angst vor dem Tod und spürte bei jedem Abschied von meinen Liebsten, das er nah war. Sehr krasse Themen, die einen Bezug zum Tod hatten, weckten mein Interesse. Wie zum Beispiel Magersucht, Extremsportarten u.Ä.

Ja, ich war noch zu jung für solche Gedanken, aber die ständigen Abschiede, die am Ende jeden Sommer Urlaubes von der Türkei zurück nach Hause, nach Deutschland, über uns brachten, gaben mir das Gefühl, das Momente zu kurz waren und nichts lange anhielt. Abschiede fallen mir bis heute schwer. Ich verbinde Abschiede mit dem Tod. In der Türkei hatten wir eine große Familie. In Deutschland waren wir allein.
Einerseits dachte ich daran meine Tagebücher loszuwerden und andererseits konnte ich sie nicht anrühren. Ganz klar, ich war und bin eine Sammlerin. 

Je mehr ich meine Tagebucheinträge durchlas, desto mehr verstand ich, dass ich schon damals Geschichten erzählte. Mein erstes Tagebuch schrieb ich Ende der 5. Klasse. In der 6. Klasse fing ich an Gitarre spielen zu lernen und wie Eddy Singer (Emma Roberts in "Unfabulous") Songtexte zu schreiben. Ich liebte ich es zu schreiben. Schreiben war eine Befreiung für mich. Ich konnte Ballast abwerfen und die Person beschreiben, die ich sein wollte. Manchmal erfand ich einfach coole Erlebnisse, von denen ich mir wünschte, das ich sie wirklich erlebt hätte.

Je älter ich wurde, desto weniger schrieb ich Tagebuch wie ich es am Anfang getan hatte. Stattdessen investierte ich mehr Zeit ins Schreiben von Liedern, Erzählungen, hatte Ideen für Kurzfilme, Romane. Ich dachte an Größeres nach, ohne zu verstehen, was ich eigentlich darunter verstand. Bis zu meinem 20 Lebensjahr versteckte ich meine Passion fürs Songtexte schreiben. Ich schämte mich für meine Sopran Stimme und meinen schrillen Gesang. Ich schämte mich für die im moderne Kunst Bilder, die ich malte. Ich heftete sie in einen Ordner ab und verbarg diese. Ich spielte für mich allein in meinem Zimmer Gitarre und Keyboard. Mein erstes Lied hieß "Frau Malsey Hexe". Es handelt von meiner Biologie Lehrerin in der sechsten Klasse, wegen der ich in der achten dann sitzen blieb, weil sie meine Mathematik Lehrerin wurde und ich schlecht in Mathe war und Angst vor ihr hatte. Ich hatte keinen Mut mich offen als Künstlern vorzustellen, träumte aber davon, etwas Großes zu erreichen.

Ich habe mit dem Schreiben niemals aufgehört, wie oben schon gesagt. Ich habe es getan, weil ich nicht anders konnte. Sogar wenn ich sang, schrieb ich es auf. Ich schämte mich vor meiner Schwester, Gülen, zu singen, weil sie besser sang und mir meine Stimme nicht gefiel. Aber ich habe unbewusst immer weitergemacht.


Falls es Menschen gibt, die künstlerisch begabt sind und nicht an sich glauben, sich nicht trauen, Angst haben wegen ihrer Leidenschaft oder Begabung gemobbt zu werden, es nicht zu schaffen, sich mit anderen vergleichen usw., dann merkt euch meine Worte: "Hört auf!" Sich zu vergleichen ist Zeitverschwendung. Eifersucht ist Zeitverschwendung und Selbsthinderung. Hindert euch nicht selbst. Wenn euch das gefällt, was ihr tut, tut ihr das Richtige. Der, der das richtige für sich im Leben findet, darin investiert und die nötige Ausdauer hat, weiterzukommen, der wird mit seiner Motivation, seinem Glauben an sich selbst und seinem Talent auch andere Menschen von sich überzeugen können. Und mit der Unterstützung dieser Menschen, kann man die Früchte seiner Kreativität mit allen teilen.

Menschen brauchen Hoffnungsträger*Innen.

Ich möchte euch dazu inspirieren, so ein(e) Hoffnungsträger*In zu sein.

Eure Yasoeyc

PS. Also wieso schreibt ihr? Was bedeutet Literatur, Schreiben usw. für euch?


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